Anne Henigin
Interviewpartner: Anne Henigin
Interviewer: Tim Zettel
Datum: 15.06.2023
Ort: IGS Kandel
Anne Henigin machte 2016 an der IGS Kandel ihr Abitur und studierte danach Psychologie. Aktuell arbeitet sie am Pfalzklinikum und ist dort auf die Arbeit mit Patient*innen spezialisiert, die Hilfe aufgrund ihres Umgangs mit legalen Suchtmitteln brauchen.
Tim: | Zuerst würde ich Sie gerne fragen, wie Sie auf den Beruf Psychologin gekommen sind? |
Anne: |
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Tim: | Wie sind Sie da dann vorgegangen? Welche Interessen muss man haben? Und wie muss man auch in den Fächern abschneiden bzw. gut darin sein, um voranzukommen? |
Anne: |
Ich denke, es sind zwei unterschiedliche Sachen. Das eine ist, wie man an den Job kommt, also wie man in das Studium kommt, weil der leider im Psychologiestudium mit einem Numerus clausus beschränkt ist, und deshalb braucht man leider ein gutes Abitur, um in das Studium reinzukommen. Ob das dann letztendlich etwas damit zu tun hat, ob man gut in dem Job ist? Ich würde sagen nein, also ich würde es getrennt voneinander beantworten. Für den Job glaube ich, ist es gut, wenn man gut in Sprachen ist, nicht unbedingt in Deutsch, einfach gut in der sprachlichen Ausdrucksweise, weil man viel sprechen muss, also mit Leuten, vor Leuten, Gruppentherapie ist auch in den meisten Jobs in Psychologiebereichen ein großes Thema. Also gut reden können oder auch gut verstehen können und auch zuhören können, denke ich, ist für den Job sehr wichtig. Kreativität schadet nicht, Empathie, denke ich, ist unverzichtbar. Das lernt man nicht direkt in der Schule, das ist etwas, was man vielleicht einfach von Haus aus schon mitbringt. In der Schule glaube ich, kann Biologie für das Fach Psychologie interessant sein, […] es ist auf jeden Fall hilfreich, auch um später nachvollziehen zu können wie funktionieren Medikamente. Leider ist Mathe ein großer Teil vom Studium, wollte ich am Anfang auch nicht glauben. |
Tim: | Genau darauf wollte ich noch genauer eingehen, wofür ist Mathematik wichtig? |
Anne: |
Den Abschluss, den man in Psychologie macht, ist ein Bachlor oder Master of science. Es gibt verschiedene Studienabschlüsse of Arts, of science, of education und so weiter. Und of science bedeutet eben auch, dass man einen wissenschaftlichen Anteil im Studium hat und der wissenschaftliche Anteil in der Psychologie ist natürlich auch das ganze Biologische, aber eben auch Statistik. Also in der Psychologie geht es sehr viel um die Hypothesen, die man so entwickelt, um die menschliche Psyche auch irgendwie zu beschreiben und zu belegen, und dafür macht man Studien. Um die Studien / die Datensätze auszuwerten, die Hypothesen zu überprüfen, braucht man verschiedene statistische Programme, aber auch Regeln und Grundkenntnisse, die man benutzen kann und dafür ist Mathe schon sehr wichtig, muss ich dazu sagen. Ich bin in Mathe absolut kein Naturtalent […]. Das war für mich eine harte Zeit im Studium mit der Statistik. Man kommt, denke ich, irgendwie durch, es gibt immer Lerngruppen und so weiter, bei denen sich die Student*innen gut unter die Arme greifen können. Aber wenn man von sich weiß, dass man gut ist in dem Bereich, dann ist die Psychologie auch ein sehr lohnendes Berufsfeld, weil man da sich auch in viele Richtungen entwickeln kann, allein mit der Statistik, die man da lernt. |
Tim: | Okay, und in welchen Bereich sind Sie gegangen? Worauf haben Sie sich spezialisiert? Es gibt ja unterschiedliche Bereiche in der Psychologie. |
Anne: |
Es gibt sehr viele verschiedene Bereiche und auch in den Bereichen Unterbereiche. An der Uni, an der ich den Master gemacht habe, hätte ich mich für Wirtschaft und für Medien und Kommunikation durch die klinische Psychologie entscheiden können, was alles spannende Berufsfelder sind, aber ich habe eigentlich von Anfang an den Plan gehabt, Psychotherapeutin zu werden Da ist es notwendig, dass man eine klinische Grundlage hat, also habe ich mich für den klinischen Master entschieden, und das ist auch der Bereich, in dem ich arbeite. Also klinische Psychologie bedeutet letztendlich das, was viele sich auch unter dem Beruf als Psychologin, Psychologe vorstellen. Im Krankenhaus oder in der eigenen Praxis mit Menschen arbeiten, in meinem Fall, mit Erwachsenen, manchmal auch mit Kindern und Jugendlichen. […] |
Tim: | Viele Patienten sind sehr unterschiedlich. Wie sind Sie darauf vorbereitet? Haben Sie irgendwie ein spezielles Muster oder wie sieht Ihr Plan für eine Untersuchung aus? […] |
Anne: |
Das kommt immer drauf an, in welchem Kontext man sich bewegt. Also in meinem Job gibt es zum einen Aufnahmesituationen, das heißt, da kenne ich den Patient oder die Patientin noch gar nicht. Das heißt die Person kommt zum ersten Mal in die Klinik und es ist vielleicht schon bekannt, was für ein Erkrankungsbild diese hat, aber es ist zum Beispiel noch nicht bekannt, wie lebt die Person, was macht die Person beruflich, wie zeigt sich das Krankheitsbild. Das ist so ein […] Anamnesegespräch. Und es gibt die Situation, dass die Patientin oder der Patient schon bekannt ist, und es um ein Therapiegespräch geht, also, dass es da tatsächlich um zum Beispiel das Erarbeiten von Strategien geht und so weiter. Je nachdem, ob ich den Patienten schon kenne oder nicht, gehe ich da unterschiedlich dran. Wenn ich den Patienten noch gar nicht kenne, ist es immer hilfreich, einfach alles schon mal anzugucken, was man von den Patienten hat, also Briefe von vorherigen Ärzten oder Krankenhausaufenthalten, vielleicht schon die Dinge, die die Pflege zum Beispiel mit dem Patienten oder der Patientin schon besprochen hat. Und dann gehe ich offen ins Gespräch. Meine erste Frage ist eigentlich immer: „Wie geht es Ihnen heute?“ Weil die Patienten und Patientinnen oft sehr aufgeregt sind, wenn sie zum ersten Mal im Gespräch sind. Und dann ist es wichtig einfach möglichst locker und möglichst kurzweilig für den ersten Kontakt die wichtigsten Sachen zu erfragen. Je nachdem, wie fit die Person auch ist und wie es ihr geht oder ob sie, wie gesagt, sehr aufgeregt ist, mehr oder weniger Fragen zu stellen. Oft machen die Patienten und Patientinnen das auch ganz allein. Die haben schon so ihre Ideen was wichtig ist und erzählen von sich aus schon so die die Eckdaten, die es gibt. Wenn es um Therapiegespräche geht, dann ist es oft so, dass ich nach diesem Erstgespräch mir überlege „Okay, was wären Dinge, die lohnenswert sein könnten?" Je nachdem, wie lange die Person da ist, es gibt verschiedene Aufenthaltsdauern. Ob das jetzt im stationären Setting zum Beispiel ist, ambulant oder teilstationären. Dann überlege ich: „Okay was wären Dinge, die man bearbeiten könnte? Ist es was Familiäres, ist es Umgang mit Stress usw.?" Und dann überlege ich mir vor jeder Therapiestunde kurz, was könnte der Inhalt sein und arbeite mich dann Stück für Stück mit dem Patienten voran. […] |
Tim: | Dazu möchte ich noch fragen, ob es auch ethischen Herausforderungen gibt, denen sich Psychologen stellen müssen. Beispielsweise Sie haben einen Patienten und der fühlt sich bei Ihnen so wohl, dass er sich vielleicht sogar eine romantische Beziehung mit Ihnen vorstellen kann. Wie werden Sie darauf vorbereitet, wie handeln Sie dann? |
Anne: |
Es gibt feste Vorgaben von der Therapeutenkammer, zum Beispiel aber auch von den Krankenhäusern, in denen man angestellt ist, die ganz klar vorgeben, wie der Kontakt zwischen Patient/Patientin und Therapeut/Therapeutin sein darf. Zum Beispiel, dass, wenn man jetzt romantisch mit jemandem involviert wäre, dass da zwei Jahre, drei Jahre, fünf Jahre zwischen der letzten Behandlungsstunde und dem tatsächlichen Beginn von der romantischen Beziehungen sein dürften. Mir ist es jetzt noch nicht passiert, dass so ein Fall eingetreten ist. Aber es gibt immer die Möglichkeit, dass man den Patienten/die Patientin an einen anderen Behandler abgibt, was in so einem Fall notwendig ist und dass man dies im Team und mit dem Patienten offen kommuniziert, warum es notwendig ist, dass man die Patientin oder den Patienten abgibt […] und den Patientenkontakt stoppt. |
Tim: | Würden Sie also sagen, dass hier vor allem Kommunikation mit anderen Fachärzten wichtig ist und man sehr auf Teamarbeit achten sollte? |
Anne: |
Ja, auf jeden Fall. Also gerade, wenn es um psychologische und psychotherapeutische und psychiatrische Behandlungen geht, dann geht es manchmal auch um Medikamente […] und da ist es wirklich notwendig, dass sich behandelnde Ärzte und Psychologinnen/Psychologen untereinander abstimmen, dass man die körperlichen Untersuchungen mit der psychischen Diagnostik abgleicht […]. |
Tim: | Apropos Austausch: Ich habe gehört, dass Psychologen viel Kundenkontakt haben und dass Psychologen dadurch von den mentalen Problemen der Patienten beeinflusst oder gar mitgenommen werden. Wie würden Sie das beurteilen? |
Anne: |
Den Ansatz finde ich verständlich in der Hinsicht, dass man so den Eindruck hat, weil Psychologen und Psychologinnen von Grund auf empathisch sein müssen, um den Job gut auszuüben. Ich würde aber sagen, dass man auch gerade in den Berufsfeldern Strategien lernt oder schon hat, wie man sich gut abgrenzen kann. |
Tim: | Wie ist es, wenn man Extremfälle hat, bei denen es schon kritisch ist? Wie verhält man sich, gibt es spezielle Vorkehrungen? |
Anne: |
Meinst du kritisch so im Sinne von Suizidalität? Kritisch, dass sie sich was antun könnten? |
Tim: | Ja und auch anderen Leuten gegenüber. |
Anne: |
Wir machen, wie schon gesagt, ein Aufnahmegespräch, wo man verschiedene Aspekte abklopft […]. Dazu gehören Schizophrenie, Halluzinationen, psychologisches Erleben und da geht es auch immer um die Eigen- und Fremdgefährdung, die man bewertet und eine Gefährdung wären z.B. auch suizidale Gedanken. […] Bei Fremdgefährdung geht es um Aggressivität, manchmal kommen Personen in einer psychischen Ausnahmesituation in die Aufnahme, sind evtl. von der Polizei gebracht worden oder sind nach Streitigkeiten mit Angehörigen, mit Passanten in die Aufnahmesituation gekommen. Diese Art der Fremdgefährdung ist in einer ambulanten psychotherapeutischen Praxis eher selten der Fall. Es kann auch dazu kommen, dass es einen richterlichen Beschluss gibt, der anweist, dass die Person während des Aufenthalts gesichert untergebracht wird, was dann bedeutet, dass die Person nicht aus eigenem Willen gehen darf. Das kann nur 24 Stunden sein, es kann auch länger gehen. In solchen Fällen kommt stets ein Richter auf die Station und beurteilt die Situation. Das ist immer eine Gradwanderung, die Freiheit eines Menschen einzuschränken und gleichzeitig gibt es eben Situationen, in denen Personen zeitweise ihre Freiheit entzogen bekommen müssen, damit ihnen und anderen nichts passiert. […] |
Tim: | Ich weiß nicht ganz, ob das mit der ärztlichen Schweigepflicht vereinbar ist, aber hatten Sie schon einen Extremfall, von dem Sie vielleicht berichten könnten? |
Anne: |
Extremfall im Sinne von einer Eigengefährdung, Fremdgefährdung? |
Tim: | Ja, Fremdgefährdung zum Beispiel. |
Anne: |
Ich arbeite aktuell auf einer Station, wo es öfter vorkommt, dass Patienten auch mit der Polizei gebracht werden, aufgrund von psychischen Ausnahmesituationen oder auch aufgrund von Intoxikation, also weil sie betrunken sind oder unter Drogeneinfluss stehen. Das kommt nicht täglich vor, aber es ist durchaus schon vorgekommen, dass ein Beschluss erfolgen musste, damit die Person, wie gesagt, in Sicherheit ist und auch das Umfeld in Sicherheit ist. Ich muss überlegen, ob es da was gibt, bei dem ich näher darauf eingehen kann. [überlegt] |
Tim: | Es ist also auch sehr viel Feingefühl und Beurteilung gefragt. |
Anne: |
Ja, genau. |
Tim: | Wo genau arbeiten Sie? |
Anne: |
Ich arbeite im Pfalzklinikum und da in der Abteilung für Abhängigkeitserkrankungen. |
Tim: | Also mehr mit Süchten? |
Anne: |
Genau, das ist noch mal unterteilt in den Bereich für legale Süchte, also Alkohol, Medikamente, und in den Bereich für illegale Süchte und ich arbeite vor allem in dem Bereich für legale. […] |
Tim: | Kann es vorkommen, dass Sie Selbsthilfegruppen leiten oder arbeiten Sie nur direkt als Arzt mit einem Patienten? |
Anne: |
Nicht mit Selbsthilfegruppen wie man sie kennt, zum Beispiel anonyme Alkoholiker, blaues Kreuz, Kreuzbund zum Beispiel. Blaues Kreuz, und Kreuzbund das sind vor allem bei uns in der Region relativ verbreitete Selbsthilfegruppen. Sie sind durch ehemalige Abhängige oder trockene und trotzdem noch abhängige Personen ins Leben gerufen worden und werden durch sie organisiert. Bei uns auf der Station gibt es neben der Einzeltherapie auch Gruppentherapien, […] wo ich als Fachkraft Input einbringe zum Thema Abhängigkeit, zum Thema Rückfall, Prophylaxe, aber auch ganz allgemein zum Thema Gefühle, Gedanken zum Thema Depressionen, zum Thema Schlaf, Selbstwert solche Sachen. Und es gibt auch von uns geleitete Gruppen, wo Patienten, […] wie im Rahmen von der Selbsthilfegruppe sich noch mal treffen und berichten, wie funktioniert es zuhause, gibt es Suchtdruck. Diese Gespräche sind von jemandem aus der Klinik moderiert. |
Tim: | Sollten Mitmenschen auch irgendwie eine psychologische Unterstützung sein und quasi als Therapeut dienen? |
Anne: |
Wie zum Beispiel Angehörige damit umgehen sollten, wenn jemand betroffen ist oder wenn sie die Vermutung haben, dass Betroffene psychologisch Hilfe brauchen, meinst du? |
Tim: | Ja, genau. |
Anne: |
[…] Ich weiß nicht, ob das immer noch so ist, aber vor allem in den älteren Generationen, also im Alter von meinen Großeltern, hat die Klinik, an welcher ich arbeite, auch einfach einen Ruf, also die Landeck oder die Psychiatrie, dass dort die Verrückten seien. Und mein Appell ist ganz oft auch in der Klinik, gegenüber den Patienten und Patientinnen mit diesem Stigma, das es einfach gibt, zu brechen, indem man offen drüber spricht, wenn man psychische Probleme hat, indem man psychische Probleme ernst nimmt, auch wenn man sie selber nicht hat. Ich bin der Meinung, dass es sehr lohnenswert wäre, wenn auch Menschen, die nicht betroffen sind, sich mit dem Thema in offenen Gesprächen auseinandersetzen. Vielleicht ist es auch ein Thema für Schulen: Was ist eine Depression? Was ist eine psychische Erkrankung an sich? Was ist eine Angststörung? Was sind Panikattacken? Ich finde, gerade weil die meisten in ihrem Leben selbst oder durch Angehörige mal von der psychischen Erkrankung betroffen sind, fände ich sehr wichtig, dass man einfach da mehr darüber spricht, wie so oft ist das darüber Sprechen auf jeden Fall gut. |
Tim: | Sehen Sie in Bereich der Social Media Potenzial, das man nutzen kann, um Leuten mit all solchen Schwierigkeiten zu helfen oder birgt das Gefahren? |
Anne: |
Es wird oft darüber gesprochen, dass Social Media sehr schlecht für die Psyche sei und ich glaube, dass es stimmt. Es gibt Studien, die schon zeigen, dass zum Beispiel Instagram viel Druck auslösen kann. Aber ich sehe auf jeden Fall das Potenzial, wenn zum Beispiel das Internet Informationen viel schneller verfügbar macht. Das kann eine Gefahr sein, weil eben auch schlechte oder falsche Informationen schnell verfügbar sind. Aber das kann auch eine sehr große Chance sein, weil wer wird heutzutage noch in die Bibliothek gehen und sich ein Buch über Depression ausleihen oder wer wird heutzutage noch direkt zum Arzt oder zum Psychiater gehen, wo man ja auch immer schwer Termine bekommt und sich erst mal beraten lassen muss, was ist das überhaupt, was mich da beschäftigt und da ist eine Internetsuche innerhalb von zwei Sekunden erledigt, wie gesagt, auch mit nicht verifizierten oder keinen oder falschen Informationen. Aber wenn zum Beispiel Social Media Influencer über ihre eigenen psychischen Erkrankungen offen sprechen, wenn sie erzählen „Ich habe eine Panikstörung“, „Ich habe eine Depression“, „Ich habe eine Zwangsstörung“ wie auch immer oder auch einfach nur „Ich habe eine Phase, mir geht’s grad wirklich nicht gut, ich muss mich zurückziehen“ oder „das sind die Dinge, die ich mache, damit es besser geht“, wenn es in dem realistischen Rahmen läuft […] finde ich das positiv. Es gibt auch Ansätze, die zwar noch umstritten sind, weil sie manchmal noch nicht durch Studien, welche in der Psychologie immer sehr wichtig sind, belegt sind, aber die ich spannend finde: Apps, die die Zeit überbrücken, bis man einen Termin bei einem ambulanten Psychologen hat, wo es dann bereits um Diagnostik geht, wo Fragebögen auszufüllen sind oder wo Atemübungen erklärt werden, wo Informationen gegeben werden.[…] Ich finde, es sind Sachen, die nicht ausreichen, die aber eine Ergänzung sind in Zeiten, wo eine Behandlung nicht verfügbar ist. Das könnte in Zukunft einen großen Benefit bringen. |
Tim: | Es ist spannend und ich bekomme umfangreiche Informationen über Ihren Beruf, aber ich würde auch wissen, wie Ihnen die IGS Kandel dabei weiter geholfen hat […]? |
Anne: |
Also grundsätzlich würde ich sagen, dass vieles, was man in der Schule lernt, fürs Studium hilfreich ist. Zwischen Schule und dem Einstieg ins Berufsleben liegt viel Zeit, deshalb ist es schwierig, das damit direkt zu verknüpfen. Was ich auf jeden Fall sagen muss, ist, dass ich aufgrund des Konzepts der Integrierten Gesamtschule hier die Möglichkeit hatte, in dem Rahmen zu lernen und mich weiterzuentwickeln und die Klassenstufen zu nehmen, ohne dass ich, wie es in anderen Schulformen vielleicht gewesen wäre, gefährdet war, durch eine „Downphase“ die Schule verlassen zu müssen. Man geht blöderweise genau zu dem Zeitpunkt zur Schule, wo man am wenigsten verstehen kann, wie wichtig Schule ist und wo Pubertät ein Riesenthema ist und wo viele andere Dinge einem mehr bedeuten als Schule, und ich finde das Konzept, was die IGS bietet, gut. Es ist eben auch mal verkraftbar, wenn man in einem Jahr zum Beispiel einfach durchhängt. […] |
Tim: | Also finden Sie gerade das Prinzip, was in der Mittelstufe die Grund-, E1- und E2-Kursen angeht, sinnvoll und sollte man das auch weiter in anderen Schulen vielleicht einbringen? |
Anne: |
[...] Also, von meiner Erfahrung her würde ich sagen, dass es hilfreich ist, gerade in der Phase, in der junge Menschen einfach Schwierigkeiten haben, sich auf die Schule zu fokussieren. Wenn man nach ein paar Jahren darauf zurückblickt, weiß man, dass in dieser Phase in der Entwicklung sehr viel passiert und ich finde es hilfreich zu wissen, dass man nicht hinten runterfällt, wenn man nicht in jedem Fach erreicht, was man erreichen müsste, zum Beispiel für die nächste Klassenstufe oder wie auch immer. |
Tim: | Was ist Ihnen aus der Schulzeit noch in Erinnerung geblieben, woran Sie heute noch mit einem Lächeln im Gesicht denken? |
Anne: |
Ich finde, wir hatten einen sehr schönen Klassenzusammenhalt und ich habe immer noch einen sehr festen Freundeskreis aus Schulzeiten, also wir sind immer noch so 5, 6, 8 Leute, je nachdem wer Zeit hat, wo man sich trifft und dann auch die alten lustigen Geschichten erzählt […]. |
Tim: | Sie waren gerade mittendrin, als es festgestellt wurde? |
Anne: |
Ja, wir mussten ausziehen. Oder dass es in dem Altbau jeden Sommer eine Stinkwanzeninvasion gab. |
Tim: | Gibt es schlechte Erinnerung, die Sie loswerden wollen? |
Anne: |
Schlechte Erinnerungen - also ich war ganz fürchterlich in Sport. Das war für mich immer schlimm, wenn wir im Stadion Cooper Test gemacht haben, das war ganz schrecklich [lacht]. Wenn man aus dem Stegreif auf einmal sehr trainierter Läufer sein sollte. Ich war auch ganz, ganz furchtbar in Französisch. Also, ich kann mich noch bildlich daran zurück erinnern, in dem Klassenzimmer vor der Französischarbeit zu sitzen und einfach gar nichts zu wissen. […] |
Tim: | Heutzutage ist es ja mit Französisch anders, man kann ja auch noch Spanisch wählen. Wäre es vielleicht besser gewesen? |
Anne: |
Das wäre bestimmt spannend gewesen. Wir mussten, damit wir Abi machen können, Französisch haben. |
Tim: | Ja, genau. Man muss eine 2. Fremdsprache haben, jedoch statt Französisch kann man jetzt auch Spanisch wählen. |
Anne: |
Nun, wir konnten dann zusätzlich Spanisch nehmen, und das habe ich dann auch. Ich hatte in den unteren Klassenstufen schon Französisch und dann habe ich in der Oberstufe noch Spanisch gewählt, aber davon ist leider nicht viel hängen geblieben, da war die Motivation nicht so groß [lachend] […] |
Tim: | Was würden Sie am Schluss, den Schülern und auch den Lehrern an der IGS raten? Der Rat von Anne Henigin? |
Anne: |
Der Rat von Anne Henigin, wenn ich von meinem heutigen Beruf ausgehe, möchte ich sehr gerne den Lehrern der IGS raten, sich mit psychischen Erkrankungen und Belastungen von Kindern und Jugendlichen auseinanderzusetzen, weil ich glaube, dass es gerade in der Schule eine gute Möglichkeit ist, Betroffene aufzufangen, was zu Hause vielleicht manchmal untergeht. |
Tim: | Super, das ist ja mal ein schönes Schlusswort. Es freut mich, dass ich Sie hier interviewen durfte. |
Anne: |
Sehr gerne. |