Daniel Bonaudo-Ewinger

Interviewpartner: Daniel Bonaudo-Ewinger
Interviewer: Flavia Fira (12)
Datum: 31.10.2022
Ort: IGS Kandel
 

Daniel Bonaudo-Ewinger, geboren 1986 in Kandel, wechselte in der Oberstufe zur IGS Kandel, um 2006 sein Abitur zu machen. Danach studierte er Freie Kunst und Malerei an der Weißensee Kunsthochschule in Berlin. Dort lebte er, bis er vor ca. einem Jahr nach Kandel zurückkehrte. Seit dem 07.10.22 sind nun seine Kunstwerke in der Einzelausstellung “Nachts alleine in Freckenfeld” in der St. Georgskirche Kandel zu sehen. Zudem kann man seine Werke auf der FLUX4ART - Landeskunstschau Rheinland-Pfalz im Landesmuseum Mainz betrachten. Weitere Arbeiten von Daniel Bonaudo-Ewinger sind auf seiner Website, seinem Instagram-Kanal und unter „Das Gute Leben - Galerie, Denkerei, Rurale Praxis“  zu finden.

Flavia: Herzlich willkommen an Ihrer alten Schule. Ich freue mich, dass Sie sich Zeit genommen haben. Sind Ihnen Veränderungen in der Schule aufgefallen?
Hr. Bonaudo-Ewinger: Hallo, danke für die Einladung. Ja, es gibt eine nicht zu übersehende Baustelle. Hier innen wirkt es wie früher und den Neubau kenne ich nicht so gut. Ich war damals noch in dem alten Gebäude. Es verändert sich gerade sehr viel.

Flavia: Wie kam es zu Ihrer Entscheidung für den Studiengang an der Kunsthochschule?
Hr. Bonaudo-Ewinger: Das war ein längerer Weg. Ich habe mich früh für Kunst interessiert. Aber es war damals nie eine berufliche Perspektive, auch nicht in meiner Familie. Der erste Schritt in diese Richtung war die Entscheidung, das Abitur zu machen, um später überhaupt die Möglichkeit auf ein Studium zu haben. Ein Freund hat mich damals stark motiviert. Bis es zur Aufnahme an der Kunsthochschule kam, hat es dann aber noch etwas Zeit und einige Erfahrungen gebraucht.

Flavia: Welche Fächer hatten Sie als Leistungskurse?
Hr. Bonaudo-Ewinger: Biologie, Sozialkunde und Deutsch. Besonders Biologie hat mir richtig Spaß gemacht, was ich zuerst gar nicht dachte.

Flavia: Und würden Sie anderen Schülern auch diese Fächer empfehlen?
Hr. Bonaudo-Ewinger: Das muss jeder für sich herausfinden. Ich glaube, je mehr Auswahlmöglichkeiten man hat, desto besser, weil jede Person eigene Stärken mitbringt. Ich hätte lieber Kunst als Leistungskurs genommen, aber das ging damals nicht. Das war nur im mündlichen Abitur möglich. [...]

Flavia: Ich glaube, das wird Sie sehr freuen: In unserem aktuellem 11er- und 12er-Jahrgang gibt es Kunstleistungskurse.
Hr. Bonaudo-Ewinger: Super, das freut mich wirklich! [...]

Flavia: Wir haben auch mit der IGS Wörth kooperiert und es sind einige Schülerinnen zu uns gewechselt, weil die IGS Kandel Kunst (und auch Physik) als Leistungskurs anbietet. [...] Haben Sie wichtige Schulpraktika erlebt?
Hr. Bonaudo-Ewinger: An ein Schulpraktikum kann ich mich nicht erinnern, aber ich habe später in Berlin ein Praktikum bei einer Malerin gemacht. Das war definitiv eine wichtige Erfahrung, zu erleben, was so ein Beruf alles mit sich bringt.

Flavia: Was war für Sie das Wichtigste, das Sie aus dem Praktikum mitgenommen haben?
Hr. Bonaudo-Ewinger: Den Alltag im Atelier zu erleben! [...] Ich konnte mir vorher nicht vorstellen, was es bedeutet, Künstler zu sein, weil es viele eher romantische Vorstellungen vom Künstlerleben gibt. Ich lernte [...], dass man sich gut organisieren muss und dass da noch viele Sachen dazu gehören. Es bleibt weniger Zeit für Kunst, als vorher gedacht. Vieles ist, Anträge und Texte schreiben, Recherche betreiben, Pressearbeit, Social Media, Website, Konzepte ausdenken, Ausstellungen organisieren, also eigentlich auch Eventmanagement und noch vieles mehr [...].

Flavia: Was gefällt Ihnen am meisten an Ihrem Beruf, was motiviert Sie besonders, ihn auszuüben?
Hr. Bonaudo-Ewinger: Das sind ziemlich viele Sachen. Zum einen verfolgt man seine eigene künstlerische Arbeit, geht den eigenen Interessen und Auseinandersetzungen nach, schafft Kunstwerke, eben das, was man sich im Allgemeinen unter künstlerischer Arbeit vorstellt. Aber der Beruf bringt auch viele abwechslungsreiche Tätigkeitsfelder mit sich. Kooperationen mit unterschiedlichen Menschen und Berufsgruppen und je nach Projekt arbeitet man an unterschiedlichen Orten. Außerdem kann man sich selbst entscheiden, welche Projekte man annehmen möchte und welche nicht, oder sich eigene ausdenken und diese in die Welt tragen. Das ist natürlich auch so ein bisschen Fluch und Segen. Positiv ist auf jeden Fall, dass man viele selbstbestimmte Entscheidungen treffen kann, auch was die Arbeitszeiten betrifft. Wenn z.B. meine Kinder Zeit mit mir brauchen, dann kann ich dies oft auch organisieren [...].

Flavia: Was war ihr Lieblingsprojekt?
Hr. Bonaudo-Ewinger: Mein Lieblingsprojekt war im Sommer 2021. Ich habe für eine kommunale Galerie in Berlin gearbeitet. Ich wurde dort als Kurator engagiert und sollte eine Ausstellung organisieren und durchführen. Das Motto war „Junge, zeitgenössische Malerei”. Es war toll, weil ich viele Freiheiten hatte und die Ausstellung von A-Z aufziehen konnte. Ich habe drei wunderbare Künstlerinnen aus Berlin eingeladen und die Kooperation war richtig spannend. Generell war die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten sehr angenehm und produktiv und die Ausstellung wurde ein großer Erfolg, trotz der noch spürbaren Auswirkungen der Pandemie [...].

Flavia: Ist diese Flexibilität auch manchmal anstrengend?
Hr. Bonaudo-Ewinger: Ja, es ist anstrengend. Der Beruf ist sehr unsicher. Man muss sich immer wieder neu erfinden, neue Ideen entwickeln, auf Veränderungen reagieren und sich weiterentwickeln.

Flavia: Tragen Sie als Künstler auch Verantwortung?
Hr. Bonaudo-Ewinger: Ja, Verantwortung gehört auch dazu. Als kultureller Akteur beteiligt man sich bewusst, aber vielleicht auch unbewusst, an gesellschaftlichen und somit auch politischen Prozessen. Mit der Galerie „Das Gute Leben“, die ich mit meiner Frau gegründet habe, setzen wir genau an dieser Schnittstelle an und dann spielt beispielsweise gesellschaftliche Verantwortung natürlich auch eine große Rolle.

Flavia: Haben Sie einen Tipp für uns Schüler? Was hat Ihnen am Anfang Ihrer Karriere nach der Schule geholfen?
Hr. Bonaudo-Ewinger: Ich musste Umwege gehen, weil ich nicht aus einem künstlerischen Umfeld kam. Wenn das der Fall ist, also dass man sich einem Berufswunsch zugeneigt fühlt, aber die Zugänge fehlen, dann muss man sich selbst helfen. Ich würde Kontakte zu diesem Berufsumfeld aufnehmen, Unterstützung suchen und annehmen. Das macht vieles leichter.

Flavia: Ich glaube, mittlerweile ist es wichtig, solche Netzwerke aufzubauen. Das höre ich immer öfter. Wie schätzen Sie das ein?
Hr. Bonaudo-Ewinger: Bei mir läuft alles über Netzwerke und ich pflege sie bewusst. Früher, nach dem Abitur, hatte ich dafür kein Bewusstsein, aber je früher man das begreift, desto leichter geht alles [...]. Es ist wichtig zu kooperieren, sich gegenseitig zu motivieren, in seinen Ansichten, Zielen und Interessen. Wissen zu teilen und sich damit auseinanderzusetzen, bringt einen voran. Wenn zum Beispiel ein Arbeiterkind keine Ahnung hat, wie so ein Studium funktioniert und da keine Unterstützung aus der Familie bekommen kann, dann spielt gerade das richtige Netzwerk auch schon zu Beginn des Studiums eine ganz zentrale Rolle.

Flavia: Wie kann man sich so ein Netzwerk aufbauen? [...]
Hr. Bonaudo-Ewinger: Suche immer den direkten Kontakt und traue dich, persönlich dorthin zu gehen. Es ist wichtig, auf sein Interessenfeld zuzugehen. Das mache ich noch immer so. [...] Dann melde ich mich da einfach und frage, ob man vielleicht einen Kaffee trinken und sich austauschen kann und zu 80% klappt es auch. Natürlich immer mit dem nötigen Respekt. Wenn es mal nicht klappt, dann eben beim nächsten Mal. [...]

Flavia: Haben Sie es schon einmal bereut, Ihren Studiengang gewählt zu haben?
Hr. Bonaudo-Ewinger: Ja, ganz oft, (beide lachen), weil „Kunst” ein unsicheres Geschäft ist. Ich denke, [...] man muss sich in seinem Leben immer wieder für das, was man macht, neu entscheiden, vor allem, wenn es anstrengend oder unsicher ist [...]

Flavia: Wo hat Ihnen die Schule auf dem Weg zu dem, der Sie heute sind, geholfen, also beruflich oder auch als Mensch?
Hr. Bonaudo-Ewinger: Für mich war es wichtig, dass ich an der IGS die Chance hatte – von der Realschule kommend - das Abitur zu machen [...]. Als Kind hat man von solchen Sachen wie Abitur oder Studium vielleicht noch keine Vorstellung. Deswegen habe ich die IGS so positiv in Erinnerung, weil sie mir den Schulwechsel und somit die akademische Laufbahn ermöglicht hat [...].

Flavia: Die allerletzte Frage: Gibt es etwas, das Sie den Schüler*innen und Lehrer*innen der IGS Kandel raten?
Hr. Bonaudo-Ewinger: Das ist eine schwierige Frage. [...] Ich glaube, es gibt immer ein Spannungsverhältnis zwischen den eigenen Interessen, den eigenen Stärken und dem, was man meint, machen zu müssen, um […]ein „gutes“ oder „richtiges“ Leben zu führen. Letztendlich muss hier jede Person ihren eigenen Weg finden. Manchmal braucht es viel Mut. [...]. Lehrer*innen sollten in der Schule ein Umfeld herstellen, in dem sich die Schüler*innen frei entfalten und ihre Stärken entwickeln und erkennen können.

Flavia: Vielen Dank für das Gespräch!

Daniel Bonaudo-Ewinger: Habitus (in apricot), 2021, 170 x 220 cm, Öl auf Leinwand

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