Dr. Johannes Steinmann
Johannes Steinmann stammt aus Jockgrim und machte das Abitur 2005 an der IGS. Im Anschluss leistet er sein freiwilliges soziales Jahr ebenfalls an unserer Schule, bevor er Elektrotechnik an der Dualen Hochschule Baden Württemberg Karlsruhe studierte. Er machte seinen Master an der Hochschule Karlsruhe und promovierte am KIT. Im Jahr 2020 gewann er den Frank Sacherer Preis der European Physical Society für Nachwuchswissenschaftler auf dem Gebiet Teilchenbeschleuniger.
Nils: Hallo Johannes, toll dass ich das Interview mit dir machen darf. Ich weiß noch gar nichts über deinen Lebensweg, außer dass du, vor vielen Jahren, auch bei uns auf der Schule warst. Wie bist du zu der Entscheidung für deinen Studiengang bzw. Beruf gekommen?
Johannes: Das ist eine gute Frage. Ich habe eine Informationsveranstaltung zu dem Studiengang Elektrotechnik besucht und dann tatsächlich zuerst Elektrotechnik und dann mit Vertiefung Nachrichtentechnik studiert. Heute habe ich an der Hochschullandschaft in Karlsruhe fast alles durch. Ich habe an der damaligen Berufsakademie angefangen, das ist jetzt die Duale Hochschule Baden-Württemberg. Mein Ausbildungsbetrieb war das Forschungszentrum Karlsruhe, was jetzt das KIT ist, und habe dort meinen Bachelor gemacht. Dann habe ich ein Jahr am KIT gearbeitet, bin zum Teilchenbeschleuniger gekommen und habe den Teilchenbeschleuniger lieben gelernt. Ich begann berufsbegleitend mein Masterstudium in Elektrotechnik-Kommunikationstechnik an der Hochschule Karlsruhe, die ehemalige Fachhochschule. Ich bin weiterhin am Teilchenbeschleuniger geblieben und habe dort am KIT in Elektrotechnik promoviert. Nach der Promotion ging ich als Postdoc, das ist quasi die Wanderzeit, die man nach der Promotion macht, in die USA an das Argonne National Laboratory bei Chicago, wo ebenso ein sehr großer Beschleuniger betrieben wird. Ich arbeitete dort insgesamt 15 Monate, bis Corona zugeschlagen hat und ich im Lockdown im Homeoffice saß. Daraufhin bin ich zurück ans KIT gekommen, wo ich nun seit 2021 mit einer festen Wissenschaftsanstellung arbeite.
Nils: Da bist du ja schon sehr viel herumgekommen. Beschleunigt der Teilchenbeschleuniger in Amerika auch Elektronen?
Johannes: Dort haben sie ebenfalls eine Synchrotron-Strahlungsquelle, das ist eine der größten Nutzereinrichtungen weltweit mit über 60 Beamlines und bis zu 5000 Forscher*innen im Jahr, die nur kommen, um Messungen durchzuführen und ist ca. 10 mal größer als das, was wir in Karlsruhe haben. Der Umfang des Beschleunigers beträgt einen Kilometer Umfang und es ist eine große Wissenschaftseinrichtung.
Nils: Zurück zu schulischen Themen. Wo hast du in der Vergangenheit Praktika gemacht, sowohl in der Schulzeit als auch auf dem Weg zu deinem Studium?
Johannes: In der Schulzeit habe ich in einem Computerladen ein Praktikum gemacht, […] dort habe ich gelernt, wie man Homepages baut, was damals noch eine ziemlich neue Geschichte war. Danach habe ich auch die Schulhomepage betreut. […] Nach dem Abitur habe ich als Werksstudent im Siemens Industriepark gearbeitet, um „am Band“ ein bisschen Geld zu verdienen. Insgesamt war die Arbeit am Computer und die Kommunikationstechnik schon immer meins.
Nils: Was gefällt dir an der Arbeit am Teilchenbeschleuniger in Karlsruhe oder in Amerika besonders?
Johannes: Teilchenbeschleuniger fand ich schon immer faszinierend. Die sind einfach eine Großforschungsanlage der Physik, mit der man am Rande des technisch Möglichen mit neuesten Technologien arbeitet. Es ist auch schön, durch die Universität viel mit jungen Menschen und Teams zu arbeiten wo man viel weitergeben kann.
Nils: Arbeitest du eher selbstständig oder mehr im Team?
Johannes: Beides. Ich habe natürlich ein Team von Studenten, die mit mir zusammenarbeiten und in der Großforschung werden die Experimente immer von vielen Personen realisiert. Auch die kleineren Gruppen arbeiten zusammen an einem großen Ganzem. Die Großforschung braucht viel Geld und da geben natürlich auch die Geldgeber, bei uns die Helmholtz Gemeinschaft, vor in welche Richtung man forschen soll. Ich kann aber auch viel frei entscheiden. Das KIT ist ja auch eine Universität und hier genießen die Professoren die Freiheit der Wissenschaft. Man hat daher auch Freiheiten, in welche Bereiche man wie gehen will.
Nils: Erzähle uns doch das beste Erlebnis, was du bislang als Forscher hattest?
Johannes: Während meiner Doktorarbeit habe ich experimentell gearbeitet […] und bei Experimenten ist es ja so, dass man eine große Frustrationstoleranz braucht, weil sie eigentlich nie funktionieren, zumindest nie auf Anhieb und man dann sehr lange daran arbeitet, weiter experimentiert und verbessert. Und irgendwann hat man dann einen Durchbruch und es funktioniert [...]. Traditionell passiert dies während der Nachtschicht, man sitzt vor dem Rechner und bekommt plötzlich die Daten, auf die man so lange gehofft hat. Und das ist immer ein sehr tolles Gefühl.
Nils: Zurück zum Beginn deines Studien- und Berufslebens. Hast du einen Tipp für uns Schüler*innen, was dir am Anfang geholfen hat, dich zu orientieren und Deine Interessen zu herauszufinden?
Johannes: Ein Tipp ist es, viel mit Leuten zu reden. Sprecht mit Bekannten, Verwandten, welche Berufe sie machen. Unbedingt auch über den Tellerrand hinausschauen und Praktika machen und sein Umfeld verlassen. Es gibt sehr viele Informationsveranstaltungen, in den Hochschulen, den Universitäten. Nehmt diese Möglichkeiten in Anspruch, es wird dort immer viel sehr Interessantes geboten, das kann ich nur empfehlen. Wenn man das Studienangebot anschaut, dann gibt es teilweise hunderte von Studiengängen und auf Anhieb könnte ich vielleicht fünf benennen und viele tolle Möglichkeiten, die einem offen stehen, kennt kaum einer. […]
Nils: Was für Unterschiede sind es so von der Uni zur Hochschule bzw. Fachhochschule?
Johannes: Die Fachhochschule ist anwendungsorientierter, während die Universität mehr Theorie bietet. Es hat durchaus Vorteile, wenn man beides kennenlernt. Ein Unterschied ist natürlich, dass an der Fachhochschule die Professoren tatsächlich als Lehrer angestellt sind, während sie an der Universität auch Forschungsgruppen haben, die nebenher Lehre machen. Was dann Vor- und Nachteile bezüglich der Lehre hat.
Nils: Hast du den schonmal bereut deinen Studiengang gewählt zu haben oder gab es Momente wo du dir überlegt hast, ob es überhaupt der richtige Studiengang ist?
Johannes: Ob es der richtige war, habe ich nie gedacht, aber ich habe oft innerhalb thematisch gewechselt. Zum Beispiel war ich in der Vertiefungsphase anfangs bei der Automatisierungstechnik, das lag mir nicht so und ich bin dann zur Nachrichtentechnik gegangen. Das waren eher kleinere Korrekturen. Wenn ich damals gewusst hätte, dass ich später promovieren werde, hätte ich wahrscheinlich direkt an der Universität studiert, das hätte einiges erleichtert. […] Während meiner Laufbahn gab es immer Leute, die mich gefördert haben. Schon in der Schulzeit, wo es viele AGs gab, die mich animiert haben, über den Tellerrand hinauszuschauen. Und dass immer Menschen da waren, die mir geholfen haben und mich weitergebracht haben, anders geht’s oft nicht.
Nils: Wo hat dir die Schule geholfen zu der Person zu werden, die du heute bist?
Johannes: Die IGS Kandel hat mir tatsächlich viel geholfen, auch weil ich sehr von den Lehrern profitiert habe. Ich war im dritten Jahrgang der Schule […] und ich hatte nur total motivierte Lehrer, die ein neues System ausprobieren wollten und richtig Bock auf die Schule hatten. Das war so der größte Vorteil und ich würde sagen, dass es nicht so sehr auf das System ankommt, sondern hauptsächlich auf die Lehrer. Und ich hatte nur tolle, motivierte Lehrer, die auch viele neue Methoden ausprobiert haben. Zum Beispiel haben mich auch die Gruppenarbeiten, die in Kandel sehr hoch angesehen werden, sehr viel weitergebracht. Verglichen mit Mitstudenten, die ich später vom Gymnasium kommend kennenlernte, kam es am Ende nicht so darauf an, ob man ein Kapitel mehr oder weniger im Lehrbuch gelernt hatte, sondern eher darauf, ob man Spaß und Interesse an der Sache bekommen hatte und mit den Leuten interagieren konnte. Ich habe schon gesagt, dass ich viel in meiner Laufbahn gefördert wurde und das hängt auch davon ab, wie man kommuniziert und mit anderen Leuten klarkommt. Da habe ich der Schule viel zu verdanken.
Nils: Was ist dir aus deiner Schulzeit in positiv Erinnerung geblieben?
Johannes: Das größte ist eigentlich das Gaukler-Projekt. Das war damals noch in der fünften Klasse, da waren die Klassenlehrer noch Herr Biernoth und Herr Haug, die waren beide jung […]. Wir haben dort ein Gaukler-Projekt gemacht, bei dem wir eine eigene Bühne gebaut haben, ein Theaterstück geschrieben haben und mit dem wir durch die Dörfer gezogen sind und dort Aufführungen gemacht haben. Das war eine ganz tolle Sache, auch für den Klassenzusammenhalt, da haben sich die ganze Klasse und die Eltern eingebracht und die Lehrer haben viel Zeit investiert. Das war Wahnsinn und dann haben wir tatsächlich ein zweites Projekt auf die Beine gestellt. Wir waren einige Jahre später bei „Wetten, dass..?“, damals noch Kinder-„Wetten, dass..?“ […] Das war super, da wurden wir vom ZDF nach Berlin eingeladen und waren dort eine Woche auf Klassenfahrt und kamen ins Fernsehen.
Nils: Gibt es etwas, das du uns Schüler*innen im Hinblick auf die Berufswahl noch raten könntest?
Johannes: Man braucht zwei Sachen: Man muss Spaß haben und man muss dabei Geld verdienen. Als ich mir noch den Beruf rausgesucht habe, ging es immer nur darum dass man machen soll was einem Spaß macht. Ich habe aber auch viele Leute gesehen, die zwar studiert haben, was Spaß macht, aber was kein Geld gibt und das macht dann tatsächlich später keinen Spaß mehr. Das wird nicht so gerne gesagt, aber man muss tatsächlich auf beides schauen. Was will man später für einen Lebensstandard haben? Ist das mit der gewünschten Berufswahl realisierbar? Der Spaß darf allerdings nie zu kurz kommen.
Nils: Danke, dass ich das Interview machen durfte und dich hier am KIT besuchen durfte.