Anne Merks
Interviewpartner: Anne Merks
Interviewer: Flavia Fira (11a) und Nils Unger (11d)
Datum: 02.03.2022
Ort: Video-Interview per Teams
Anne Merks stammt aus Barbelroth und besuchte in den Jahren 1998 bis 2007 die IGS Kandel. Während Ihrer Schulzeit nahm sie an insgesamt 7 “Schüler experimentieren – Jugend forscht – Wettbewerben” in verschiedenen Kategorien teil, erlangte zahlreiche Preise und wurde unter anderem dreimal als Landessiegerin in Rheinland-Pfalz gekürt. Nach dem Landessieg mit einem Projekt im Bereich “Arbeitswelt”, bei dem sie sich mit verschiedenen Lerntechniken auseinandersetzte, wurde sie zur Late-Night-Show von Harald Schmidt eingeladen. Über die Schule kam auch der Kontakt zum Chawweruschtheater in Herxheim, wo sie an Theaterprojekten als Schauspielerin mitwirkte und Erfahrungen als Regieassistentin sammelte. Nach dem Abitur begann sie ein Biologiestudium am KIT in Karlsruhe, promovierte dann am Max Delbrück Zentrum in Berlin, wo sie im Anschluss als Wissenschaftlerin forschte, bevor sie vor 8 Monaten ein Aufbaustudium für Wissenschaftsmanagement und Marketing begann, dem sie derzeit nachgeht. Anne Merks lebt in Berlin.
Flavia: Wie kam es zu der Entscheidung für Ihren Studiengang und Ihren Berufswunsch Biologie?
Anne: Meine Entscheidung ist tatsächlich eng mit der IGS verknüpft, weil ich schon in der 6. Klasse mit “Schüler experimentieren” im Rahmen einer AG angefangen habe. Herr Biernoth hat die Arbeit betreut… wir haben mit dem „Regenruf des Buchfinks“ angefangen. Das waren meine ersten naturwissenschaftlichen Erfahrungen. Dazu kam, dass ich wahnsinnig inspirierende NaWi-Lehrer*innen hatte und die Ausstattung der Räume ganz neu war. Ich war damals unter den ersten, die in den Neubau eingezogen sind. [...] Dann hatte ich Biologie als LK gewählt, welcher sehr anspruchsvoll, aber auch eine sehr gute Vorbereitung auf das Studium war. Die Entscheidung für Biologie am KIT in Karlsruhe mit dem Studienziel Bachelor und Master war nicht ganz stringent. Ich hatte auch einen Medizinstudienplatz und für Kunst hatte ich mich auch beworben. Letztendlich war es dann eine Bauchentscheidung. Diese Entscheidung war ganz eng verknüpft mit meinen “Schüler experimentieren” Forschungsarbeiten, ich glaube, seitdem schlägt mein Herz als Wissenschaftlerin. [...]
Nils: Haben Sie schon während Ihrer Schulzeit ein Praktikum gemacht oder etwas in der Richtung Biologie oder auch in anderen Bereichen, die Sie dann später ausschließen konnten?
Anne: Ich habe ein Praktikum [...] bei der BASF in Ludwigshafen in der Kläranlage gemacht. [...] Sie haben da biologische Versuchslabore und das ist tatsächlich eine Erfahrung, an die ich noch oft zurückdenke, weil ich spannende Einblicke erhalten habe: Die biologische Arbeit rund um Abwasser und Fragen, die damit verbunden sind. Man kann z.B. jetzt auch Coronaviren über das Abwasser nachweisen, es ist ein sehr spannendes Medium, das Abwasser. [...]
Flavia: Ist bei Ihrem Praktikum ein Versuch im Gedächtnis hängengeblieben, von dem Sie sagen “Das hat mich besonders begeistert ”?
Anne: Man hatte sich eine einfache, aber sehr effektive Methode angeeignet. [...]
Nils: Eine Frage zu Ihrem Beruf: Was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf am meisten oder an dem dazugehörenden Studium?
Anne: […] Mir macht tatsächlich die Zusammenarbeit mit Menschen Spaß und das ist bei meiner Arbeit kommunikativ eine sehr große Herausforderung, weil an den Schnittstellen, gerade wenn es um Forschung, Forschungsmanagement und Administration geht, unterschiedliche Menschen zusammenkommen, die alle einen anderen Background haben. [...] Das Spannende ist definitiv die Zusammenarbeit mit Menschen, die Kommunikation und die Möglichkeit, neue langfristige, wissenschaftliche Projekte anstoßen zu können und zu formen. [...]
Flavia: Ist der Beruf für Sie, aufgrund des Berufswechsels anstrengend und vermissen Sie manchmal das Labor?
Anne: Ich habe anfangs das Labor sehr vermisst. Ich habe es geliebt Experimente zu machen. [...] Es ist jetzt eine ganz andere Arbeit, denn ich habe jetzt einen 100% Bürojob, vorher war ich körperlich viel aktiver. Ich habe mit Fischen gearbeitet, war oft im Fischraum, stand und lief viel. [...] Diese praktische Arbeit habe ich vermisst. [...] Ich muss sagen, inhaltlich finde ich das, was ich gerade machen darf, nochmal herausfordernder und bereichernder und gleichzeitig bin ich froh, dass ich die Erfahrungen, die ich als Wissenschaftlerin machen konnte, jetzt weitertragen kann. [...]. Wissenschaft beinhaltet auch Marketing. [...] Ich glaube, dass Wissenschaft für sich selbst Werbung machen muss. [...]
Nils: Arbeiten Sie selbstständig oder im Team mit anderen zusammen? Haben Sie viel Verantwortung oder verteilt sich diese mehr auf eine ganze Gruppe?
Anne: Wir sind ein Team von 9 Personen. Wir arbeiten schon sehr selbstständig, aber in enger Absprache miteinander. Wir haben eigene Arbeitsbereiche, die sich teilweise überlappen. [...] Ich trage die Verantwortung für mein eigenes Handeln, trage aber auch die Projektverantwortung. [...]
Flavia: Sie haben mehrere Berufe ausprobiert. Was war das schönste Erlebnis innerhalb dieser Berufsjahre?
Anne: Damals in der Promotionsphase als Wissenschaftlerin, das war für mich das Fantastischste, wenn wir eine Veröffentlichung herausgebracht haben. [...] Ich hatte das Glück veröffentlichen zu dürfen, weil ich eine tolle Chefin hatte, die das unterstützt hat. Zu wissen, das steht jetzt der Öffentlichkeit zur Verfügung, ich kann damit weiterarbeiten und es müssen nicht nochmal andere Leute das Gleiche machen, sondern wir können es teilen, das war sehr erfüllend. [...]
Nils: Haben Sie nach ihrer Schulzeit irgendwelche Tipps für uns, die uns nach der Schule helfen könnten, ein Studium zu finden oder erstmal rauszufinden was uns gefällt?
Anne: Ich glaube zwei Punkte sind wichtig: Der eine Punkt ist die Begeisterung für eine Wissenschaftsdisziplin. [...] Die Schule ist eine Art „bubble“. Sie ist ein geschlossener, sicherer Raum und das ist auch wichtig. [...] Aber es ist ebenso wichtig, den Schritt aus der „bubble“ heraus zu tun und Leute in ihren Berufen zu erleben. Der zweite Punkt ist diesen „Realitätscheck“ zu machen [...]. Und ich glaube drittens auch, dass es wichtig ist offen zu bleiben dafür, dass man eine Entscheidung nach der Schulzeit trifft, aber diese nicht für immer gesetzt ist. [...] Behaltet euch Optimismus, Offenheit und Flexibilität. [...]
Flavia: Im Ernstfall also mehrere Studiengänge nacheinander?
Anne: Ja! Bildung ist in Deutschland [...] sehr, sehr günstig [...] und qualitativ sehr hochwertig. [...] Es gibt auch die Möglichkeit ins Ausland zu gehen, das habe ich auch gemacht. [...]
Flavia: Da bin ich neugierig, darf ich fragen, wo Sie im Ausland waren?
Anne: Ja, ich war während des Masterstudiums 3 Monate in die USA, in Kansas-City. [...] Ich war dann nochmal für Ausgrabungen in Mexiko mit einem Professor aus dem Naturkundemuseum aus Karlsruhe. Wenn ihr solche Möglichkeiten habt, nehmt es unbedingt mit. Macht’s! [...]
Nils: Haben Sie mal während des Studiums zwischenzeitlich gedacht “Oh, war doch nicht das Richtige für mich.” oder war Ihnen klar “Ja, das ist es.”? Oder war da auch teilweise eine Überwindung nötig?
Anne: Im Bachelor habe ich teilweise gezweifelt. Es war von der Arbeitsbelastung sehr intensiv. [...] Und wenn ich dann manchmal um mich rum geguckt habe und dachte “Ah, andere Leute, die kein Biologie studieren, haben auch mal Osterferien” und ich bin bis 18 Uhr im Labor und schreibe dann noch Protokolle. [...] Der Druck war definitiv groß. Was geholfen hat, war, dass wir kein großer Jahrgang waren. Wir waren nur ca. 60 Student*innen und wir waren sehr eng vertraut. Wenn man gemeinsam etwas durchsteht, dann ist es schon mal gut. [...] Nach der Pflicht kam die Kür: Im Master gab es Wahloptionen und ich habe mich autonomer, freier gefühlt. Die Arbeitsbelastung geringer war nicht geringer, aber ich konnte mehr berücksichtigen worauf ich Lust hatte [...].
Flavia: Wo hat die Schule Ihnen geholfen, beruflich aber auch menschlich?
Anne: […] Ich hatte die beste Schulzeit von der 5. bis zur 10. Klasse. Das liegt daran, dass wir von Anfang an gezeigt bekommen haben, dass wir alle unterschiedlich sind und dass dies uns alle weiterbringt. Der Wert des Menschen stand immer an erster Stelle und das ist etwas, was ich definitiv weitertrage. Ich merke, dass ich eine absolute Teamperson bin. Das war bei uns mit Gruppentischen in der Schulzeit schon so, es ging ums Gemeinsame, um den Wert der Anerkennung und dass uns Unterschiedlichkeit weiterbringt, und nur das. Auch die Anerkennung, nicht nur zu sagen wir sind unterschiedlich, sondern zu sehen, es gibt einen Weg, wie wir das nutzen können, wie wir Energie daraus schöpfen können, um etwas zu schaffen. Deswegen wäre ich auch keine Person für rein hierarchische Arbeitsbedingungen, wo es nicht um die Anerkennung von Menschen in ihrer Vielfalt und ihren Möglichkeiten geht. Aus der Schulzeit sind bis heute Freundschaften geblieben. Ich habe eine Freundin in der 6. Klasse gewonnen, die ich bis heute habe. Einen Mitschüler treffe ich immer noch alljährlich. Ich hatte wahnsinnig tolle Lehrerinnen und Lehrer. […]
Nils: Was ist Ihnen aus Ihrer Schulzeit noch in Erinnerung geblieben, ein Erlebnis oder lustige Momente?
Anne: Gerade in der 5. und 6. Klasse hatten wir eine wilde Zeit, wir haben viel Schabernack getrieben und Ärgernis verursacht. Ich mochte sehr gerne Klassenfahrten. Wir hatten eine gute Klassenfahrt nach Köln in der Zehnten. In der Neunten waren wir in Heidelberg. Das waren zusammenschweißende Erlebnisse, ich habe das geliebt. Ich mochte auch den Sportunterricht sehr, weil wir viel Fußball gespielt haben und ich liebe Fußball […] Wir haben auch in der Schule übernachtet. Solche Sachen haben ich gemocht, ich fand es toll, dass wir von der 5. bis 10. diesen Klassenverband hatten. […]
Flavia: Gibt es etwas, was Sie uns und den Lehrkräften raten, was man besser machen kann in der Schulzeit, aber auch im Hinblick auf die Berufswahl?
Anne: Ich glaube, dass es wichtig ist, dass auch Themen behandelt werden, die nicht unbedingt was mit einer starren Vermittlung von Fakten zu tun haben. Ich glaube es ist noch wichtiger, komplexe Zusammenhänge erfassen zu können und Dinge im Kontext zu sehen […] und als Person am politischen Weltgeschehen teilnehmen zu können. […] Und ich finde, da gehört dazu Themen fächerübergreifend zu behandeln.
Flavia: Sie haben gesagt, dass Sie im Theater gearbeitet haben, das ist ja etwas ganz anderes als Biologie. Wie sind Sie darauf zu kommen das zu machen?
Anne: Ich habe mit Theater angefangen, da war ich glaube ich 7 oder 8 und habe es gemacht, bis ich 18 Jahre alt war. Und dann die Möglichkeit über Regieassistenz an Stücken mitzuwirken. Das ist eine ganz andere Welt, da hast du absolut recht. […] Und es muss nicht alles dem Job zu dienen. […] Dadurch hast du ein ganz tolles Hobby und das kann sehr erfüllend sein. Und das ist wichtig, um ein ausbalanciertes Leben zu haben, auch das kann Schule vermitteln. […]
Flavia: Liebe Frau Merks, vielen Dank für dieses wunderbare Gespräch.